Vollmachtsmissbrauch und Ausnutzung der Hilflosigkeit älterer Menschen
Jeder kann zu einer bestimmten Zeit darauf angewiesen sein, dass ihm andere helfen. Dafür gibt es viele Möglichkeiten, die in vielen Fällen auch gut funktionieren, z.B. Vorsorgevollmachten, Bankvollmachten, Online-Banking-Zugang oder die Ausstellung einer zweiten Bankkarte. Leider häufen sich aber auch die Fälle, in denen diese Instrumente dazu genutzt werden, an das Geld des hilfsbedürftigen Menschen zu gelangen.Fälle in der Praxis
Auch wenn der Missbrauch der Vorsorgevollmacht, Bankkarte, etc. im Kern immer gleich ist, gibt es verschiedene Fallgruppen mit teilweise erheblichen rechtlichen Unterschieden.Barabhebungen durch den Bevollmächtigten
Wer die Angelegenheiten des Betroffenen besorgt, muss dafür in der Regel monatlich Geld abheben. Ob das mit einer Vollmacht, einer zweiten Bankkarte oder (unzulässig) mit der Bankkarte des Betroffenen geschieht, spielt keine Rolle. Ein Problem wird allerdings daraus, wenn der Bevollmächtigte einen Teil des abgehobenen Geldes für sich selbst behält.Der rechtliche Ausgangspunkt ist einfach. Der Bevollmächtigte muss das, was er nach Beendigung des Auftrags übrig hat, an den Erblasser bzw. die Erben herausgeben.1 Die Schwierigkeiten bestehen im tatsächtlichen Bereich. Wieviel wurde genommen? Was ist damit geschehen? Wurde es an den Erblasser übergeben oder für ihn verwendet? Gab es Schenkungen? Konnte der Erblasser überhaupt noch einen freien Willen bilden?
Barabhebungen durch den Betroffenen
In verschiedenen Fällen hebt der Betroffene selbst Bargeld ab, meist große Einmalbeträge von 30.000 bis 50.000 €. Diese Beträge sind dann jeweils weg. Die Schwierigkeit besteht darin, den Verbleib des Geldes nachzuvollziehen und ggf. auch noch zu beweisen. Letztlich läuft es dann auf die Frage hinaus, ob der Betroffene (nachweisbar) geschäftsunfähig war, weil dann die Bank nicht wirksam geleistet hat.Schenkungen
Es existiert ein Schriftstück, wonach der Vollmachtgeber dem Bevolmächtigten das Geld, die Aktien, etc. schenken wollte. Unerheblich ist dabei, ob der Bevollmächtgte die Schenkung selbst vollzogen hat oder ob der Vollmachtgeber dafür selbst unterschrieben hat. Diese Fälle lassen sich manchmal über die Formvorschrift in § 311b Absatz 3 BGB lösen. Danach muss ein Vertrag notariell beurkundet werden, wenn der Schenker sein gegenwärtiges Vermögen oder einen Bruchteil davon verschenkt. Das gilt allerdings nicht, wenn konkrete Einzelgegenstände oder Geldbeträge verschenkt werden. In den anderen Fällen läuft es auf die Frage hinaus, ob der Vollmachtgeber geschäftsfähig war.Bevollmächtigter als Alleinerbe / Pflichtteil
Wenn der Bevollmächtigte testamentarischer Alleinerbe ist, hat er auf den ersten Blick eine sichere Position. Denn er hätte das Geld, das er weggenommen hat, ja vielleicht sowieso geerbt. Gibt es jedoch Pflichtteilsberechtigte, so erhalten diese ihren Pflichtteilsanspruch auch aus dem Wert des Rückforderungsanspruchs des Erblassers gegen seinen Bevollmächtigten. Der Pflichtteilsberechtigte hat einen umfassenden Auskunftsanspruch aus § 2314 Absatz 1 BGB. In welchem Umfang davon auch eine Art Rechnungslegung umfasst ist, die zur Bezifferung der Ansprüche aus den unberechtigten Entnahmen erforderlich ist, ist in der Rechtprechung bisher nicht geklärt. Aus meiner Sicht sind die Angaben in das Nachlassverzeichnis aufzunehmen, da andernfalls der Pflichtteilsanspruch nicht bezifferbar ist.Bevollmächtigter nutzt Konto des Vollmachtgebers für sein Geld
Ab und an gibt es einen Fall, der genau anders herum liegt. Der Bevollmächtigte nutzt das Konto des Vollmachtgebers dazu, um Geschäfte mit seinem eigenen Geld zu tätigen. In diesen Fällen werden dann oft Treuhandabreden behauptet, wenn die Vollmacht widerrufen ist und er Bevollmächtigte nicht mehr an sein Geld herankommt. Der Erbe des Vollmachtgebers bestreitet dies mit Nichtwissen. Die Beweislast liegt beim Bevollmächtigten. Die Fälle hängen sehr vom Einzelfall und den verfügbaren Unterlagen ab. Geschahen die Handlungen mit oder ohne Wissen und Wollen des Vollmachtgebers? Welche Zwecke standen dahinter? Gibt es Anhaltspunkte für Schenkungen?Strategie und Taktik
Die oben dargestellten Fälle werden in der Regel nicht außergerichtlich erledigt, es sei denn der Betroffene oder seine Erben geben auf oder zu einem großen Teil nach. Alle anderen Fälle gehen vor Gericht. Dies kostet zusätzliches Geld und zusätzliche Zeit. Daher ist es wichtig, dass die Fälle in einer bestimmten Art und Weise bearbeitet werden.Vollmachtswiderruf
Wenn weiterer Missbrauch zu befürchten ist, sollten schnellstmöglich alle Vollmachten widerrufen werden. Dazu habe ich hier ein Muster.Informationsbeschaffung
Regelmäßig sollten die verfügbaren Informationen beschafft werden, bevor der Bevollmächtigte zur Rechnungslegung aufgefordert wird. Die Kontoauszüge müssen angefordert werden. Sodann sollten alle Barabhebungen oder fraglichen Überweisungen in einer Tabelle aufgelistet werden. Ich habe dazu ein Programm zur Erfassung der Rechnungslegung entwickelt, das sich allerdings noch in der Testphase befindet. Bisher werden diese Aufgaben in der Regel mit Excel erledigt.Nachdem alle Entnahmen aufgelistet sind, muss die Frage beantwortet werden, wovon der Betroffene gelebt hat. Gingen die wesentlichen Ausgaben direkt vom Konto ab oder wurden sie wahrscheinlich bar bezahlt? Gab es "Essen auf Rädern"? Wohnte der Betroffene im eigenen Eigentum oder zur Miete?
Rechnungslegung
Unabhängig von den einzelnen Fallkonstellationen gibt es in der Regel einen Auskunftsanspruch aus § 666 BGB gegen den Bevollmächtigten. In der Regel wird dieser Auskunftsanspruch nicht oder nur unzulänglich erfüllt. Dies ist der Punkt, an dem der Fall mit einer Stufenklage zum Gericht geht.Wenn Sie weitere Hilfe benötigen, empfehle ich Ihnen eine Erstberatung.
Ihr
Dr. Thomas Papenmeier
1 § 667 BGB.