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Erbrechtskanzlei Papenmeier

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Erbrecht



Beeinträchtigtende Schenkung

Bei gemeinsamen Testamenten und Erbverträgen kann eine erbrechtliche Bindungswirkung eintreten. In diesen Fällen kommen viele Erblasser auf die Idee, einen Teil des Nachlasses zu verschenken, um abweichend vom Testament oder Erbvertrag einen Beteiligten zu begünstigen. Diese Schenkungen können unter den Voraussetzungen des § 2287 BGB (bei Erben) bzw. des § 2288 BGB (bei Vermächtnisnehmern) rückgängig gemacht werden.
  1. Gesetzestext
  2. Lebzeitiges Eigeninteresse
    1. Absicht zur Korrektur des Erbvertrags oder Testaments
    2. Erbrachte Pflegeleistungen
    3. Zukünftige Pflegeleistungen
    4. Erhaltung des Geschenks
    5. Absicherung des Beschenkten
    6. Anstands- und Pflichtschenkungen

Gesetzestext

Es geht hier um die Anwendung des § 2287 BGB:

§ 2287 BGB Den Vertragserben beeinträchtigende Schenkungen
(1) Hat der Erblasser in der Absicht, den Vertragserben zu beeinträchtigen, eine Schenkung gemacht, so kann der Vertragserbe, nachdem ihm die Erbschaft angefallen ist, von dem Beschenkten die Herausgabe des Geschenks nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung fordern.
(2) Die Verjährungsfrist des Anspruchs beginnt mit dem Erbfall.

Diese Vorschrift verlangt eine bindende Verfügung in einem gemeinschaftlichen Testament oder Erbvertrag. Die Details sind komplex und werden ggf. später dargestellt. Weiterhin muss eine Schenkung vorliegen und auch das ist ein Punkt, bei dem Streit möglich ist. Schließlich - und darum geht es hier - muss die Schenkung in der Absicht vorgenommen werden, den Erben zu beeinträchtigen. Diese Beeinträchtigungsabsicht muss der Erbe beweisen. Weil innere Tatsachen schwer zu beweisen sind, hat die Rechtsprechung das etwas umgedreht. Der Beschenkte muss darlegen, dass der Erblasser ein lebzeitiges Eigeninteresse an der Schenkung hatte. Der Erbe muss dann ggf beweisen, dass das behauptete Eigeninteresse nicht bestand.

Lebzeitiges Eigeninteresse

Wann liegt denn nun aber ein lebzeitiges Eigeninteresse vor? Diese Frage ist sehr schwer zu beantworten. Es gibt nichts, woraus sich die Antwort ableiten lässt. Wir wissen lediglich, dass eine Abwägung notwendig ist, bei der auch die Interessen der Vertragserben zu berücksichtigen sind. Es bleibt daher nur die Möglichkeit, sich anzusehen, was die Gerichte in der Vergangenheit dazu entschieden haben.

Absicht zur Korrektur des Erbvertrags oder Testaments

Gegen ein lebzeitiges Eigeninteresse des Erblassers an der Schenkung spricht es, wenn er in Wahrheit den Willen hatte, das bindende Testament oder den Erbvertrag zu korrigieren. Beispielsfälle:
  • Der Erblasser erkundigt sich vor der Schenkung nach einem Widerruf des gemeinschaftlichen Testaments oder Erbvertrags.1
  • Der Erblasser verschenkt ein Grundstück, weil das andere Kind schon zu Lebzeiten genug erhalten habe.2
  • Der Erblasser nimmt die Schenkung unmittelbar nach einer Krebsdiagnose vor.3

Erbrachte Pflegeleistungen

Wenn der Beschenkte in der Vergangenheit Pflegeleistungen erbracht hat, dann muss die Schenkung in einem angemessenen Verhältnis dazu stehen. Dabei ist zu berücksichtigen, ob der Beschenkte im Gegenzug freie Kost und Logis erhalten hat. Das OLG Hamm verneinte das lebzeitige Eigeninteresse bei einer Schenkung von 250.000 € bei 4 Jahren behaupteter Pflege und freier Kost und Logis.4

Zukünftige Pflegeleistungen

Ein lebzeitiges Eigeninteresse kann darin bestehen, dass der Erblasser mit der Schenkung seine zukünftige Pflege absichern will, indem er den Beschenkten an ihn bindet. Diese Absicht wird besonders deutlich, wenn er die Schenkung unter die auflösende Bedingung stellt, dass die Ehe mit der Beschenkten geschieden wird.5
Das lebzeitige Eigeninteresse kann nur dann bestehen, wenn der Beschenkte auch von der Schenkung weiß. Das ist nicht der Fall, wenn er ohne seine Kenntnis als Bezugsberechtigter einer Renten- oder Lebensversicherung eingesetzt ist.6
Wenn im notariellen Übergabevertrag eine Pflegeverpflichtung enthalten ist, spricht das für das lebzeitige Eigeninteresse des Erblassers7, wenn sie fehlt, spricht das dagegen8.
Weiterhin besteht kein lebzeitiges Eigeninteresse, wenn der Beschenkte im Hinblick auf die erwartete Unterstützung der Eltern bereits andere Schenkungen erhalten hat.9
Das lebzeitige Eigeninteresse kann auch nur für einen Teil des Schenkungsgegenstands bejaht werden.10

Erhaltung des Geschenks

Der Erblasser kann versucht sein, ein Grundstück zu verschenken, wenn der Erbe Schulden hat. Damit kann der Erblasser den Zugriff der Gläubiger des Erben verhindern. Das ist jedoch kein lebzeitiges Eigeninteresse.11

Absicherung des Beschenkten

Die Absicherung des Beschenkten ist kein Eigeninteresse des Erblassers, sondern Fremdinteresse.12

Anstands- und Pflichtschenkungen

Bei einer Anstandsschenkung besteht ein lebzeitiges Eigeninteresse des Erblassers. Das OLG Düsseldorf sah bei einem Nachlass von 10 Millionen Euro die Schenkung einer Motoryacht im Wert von 575.000 € als Anstandsschenkung an.13 Diese Entscheidung wurde bei verschiedenen Vorträgen (auch von einem BGH-Richter) als zweifelhaft bezeichnet.
Nach Ansicht des OLG München sind Pflichtschenkungen, die jedes vernünftige Maß überschreiten, nicht gerechtfertigt.14

Wenn Sie weitere Hilfe benötigen, empfehle ich Ihnen eine Erstberatung.

Ihr

Dr. Thomas Papenmeier 
1 KG, Urteil vom 04.12.2019 - 4 U 8/18.
2 OLG Düsseldorf, Urteil vom 02.03.2018 - I-7 U 23/17.
3 OLG Köln, Beschluss vom 29.10.2014 - I-11 U 121/13.
4 OLG Hamm, Urteil vom 12.09.2017 - I-10 U 75/16.
5 OLG Hamm, Urteil vom 07.03.2017 - I-10 U 5/16.
6 OLG München, Urteil vom 23.11.2016 - 3 U 796/16.
7 OLG Hamm, Urteil vom 26.02.2015 - I-10 U 18/13; OLG Köln, Urteil vom 01.04.2014 - I-3 U 165/13.
8 OLG Düsseldorf, Urteil vom 02.03.2018 - I-7 U 23/17; OLG München, Urteil vom 04.12.2014 - 8 U 2900/14.
9 OLG Hamm, Urteil vom 14.09.2017 - I-10 U 1/17.
10 BGH, Urteil vom 28.09.2016 - IV ZR 513/15.
11 OLG Karlsruhe, Teilurteil vom 08.04.2015 - 13 U 68/12.
12 OLG Hamm, Urteil vom 07.03.2017 - I-10 U 5/16.
13 OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.01.2017 - I-7 U 40/16.
14 OLG München, Urteil vom 23.11.2016 - 3 U 796/16.

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